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MUZZI MUZZI MUZZI

Dinge geschehen ja bekanntlich anders als man sie sich vorgestellt und auch gewünscht hat. Da wäre zum einen der Ausgang eines Volksentscheides für sich-wirtschaftlich-benachteiligt Fühlende oder das Abschneiden einer bis dato unschlagbaren Nationalmannschaft bei einer Weltmeisterschaft. Was es hinterlaesst? Enttäuschung, Wut, Unverständnis, Ablehnung, ja mit unter sogar auch das Gefühl sich unnötiger Weise blamiert zu haben. So kann es sein, dass eine Rechtfertigung für sich und andere Menschen fast schon zur Pflicht wird. Erfolge aus der Vergangenheit auf der einen Seite oder auch einfach die Belanglosigkeit auf der anderen Seite scheinen schlicht zur Seite gekehrt zu werden. Das ist aber auch alles so emotional! Und verdammt, ich habe mir doch so viel vorgenommen und Mensch, der Plan sah doch was ganz anderes vor......

Nun ja, einmal vorweg gesagt: 

- Nein, es ist nicht Sonntag und das Wetter ist nicht so schlecht wie es noch an den vorherigen Tagen war als ich den Blog zuletzt geschrieben habe.

- Ja, es stimmt, es ist eine Weile her seit dem ich das letzte Mal hier ein Update verfasst habe. 

- Nein, in Zukunft wird das nicht mehr vorkommen.

- Ja, es gab Gründe für den "Delay" auf die in den naechsten Blogeintraegen eingegangen wird.

Miha winkt mir zu. Im imaginären Rückspiege der rustikalen Wohnblock immer kleiner werdent. Das Lenkrad fest im Griff um das Gewicht wieder in die gewohnte Balance zu bringen - mit Schlangenlinien dem aufgestockten Frühverkehr gekonnt umkurven. Der Asphalt riecht frisch nach Regen, doch viel ist von ihm nicht mehr zu sehen. Der Weg raus aus einer größeren Stadt ist wahrlich selten ein leichtes Unterfangen. Für München beispielsweise habe ich einen ganzen Tag in Anspruch nehmen müssen. Hier in Ljubljana wurde ich vergleichsweise auf Händen vor die Pforte getragen. Ehe ich mich versah befand ich mich bereits wieder in den tief grünen Wäldern Sloweniens. So überraschend schnell ich unterwegs war, so plötzlich überraschte mich dann auch ein Regenschauer der eines Wasserfalls gleich vor meinem Rad runter prasselt. Ich schaffe es gerade noch so in die Eisen zu gehen, sehe jedoch wie eine Gruppe professioneller Rennradfahrer von der anderen Straßenseite kommend förmlich von der Flut an Wasser in den Seitengraben weggespült wird. Ein Fahrer hatte wohl schlagartig Grip verloren und schoss seitlich wie ein Diskus die Fahrbahn entlang. Als ich mich nach seinem Gesundheitszustand erkundige, kann ich zur Erleichterung feststellen, dass außer Schürfwunden nichts schlimmeres passiert ist. 

Ohne größere Probleme, jedoch mit einigen Hügeln und Schotterwege, erreiche ich den ersten geplanten Schlafplatz. Noch in Deutschland habe ich per Map diesen an einem See rausgesucht. Der See schien mir durchweg optimal zu sein. So bin ich noch in Deutschland davon ausgegangen, dass ein See weit abseits von der Landstraße und ohne öffentliche Bäder ein perfekter Ort zum Rasten darstellen würde. Was die Realität angeht: Inmitten eines Industrieparks liegt, umschlungen von miefenden Kanälen, eben dieser Tümpel. Zudem ergibt sich an keiner Stelle die Möglichkeit sichtgeschützt ein Camp aufzuschlagen. Die Erwartungen wurden hier klassischer Weise weit unterboten. Daher beschließe ich weiter zu fahren. 

Nicht unweit abseits der Hauptstraße verläuft ein kleiner Schotterweg, den ich dann auch zielstrebig ansteuere. Beim Aufbau des Zeltes kommt mir die Idee auf das Zelt ohne die Außenplane aufzustellen, wodurch ich eine Reduzierung des Geruchpegels und eventuell auch erhoffe eine bessere und romatischere Sicht auf den nächtlichen Himmel zu bekommen. Das Ergebnis war leider ziemlich unzufrieden. Ich würde sogar behaupten gar katastrophal. Gerade diese Nacht schien besonders feucht und kalt zu sein, denn so fällt mir frierend am folgenden Morgen auf wie verdammt klamm die Sachen und mein Zelt war. Das Zelt was ich gerade erst in Ljublana frecherweise mit gewaschen habe, soll nun also klamm eingepackt werden? Uff, aber der Anblick des Sonnernunter- sowie aufgangs hat diesen blöden Fail komplett wett gemacht. 

Der darauffolgende Tag beinhaltet auch gleich direkt den Grenzübergang nach Kroatien. Wie ein Kind aufgeregt steige ich auf das Rad, sehe meine Hand vor den Augen nicht. Der Nebel vom Vortag der mir einen fast schon einmaligen Sonnenuntergang ermöglichte, scheint auch am nächsten Tag noch richtig festzuhängen. Wird es heute also ähnlich feucht und wechselhaft sein? Hm, der Wetterbericht sagt etwas anderes und es sollte auch alles ganz anders kommen - aber dazu später. Der Fluss Kupa bildet die Grenze zwischen Kroatien und Slowenien. So richtig nah an der Grenze fühlt man sich jedoch nicht, fährt man konstant immer weiter die Berge weit hoch. Wie eine Ski-Schanze dann geht es steil bergauf um dann umgehend noch steiler bergab zu fahren. Das Problem dabei ist jedoch, dass der zuvor entspannt verlaufende Asphaltweg zu einer Schotterpiste mit dickem Geröll sich entwickelt. Mit fast vollständig angezogener Handbremse fahre ich nun den Weg immer weiter runter. Irgendwann wird es dann so schlimm, dass ich das Rad schieben muss. Und irgendwann wird es so schlimm, dass das Rad samt mir wie ein erschossener Elephant seitlich runter fällt. Ich halte mich gerade noch an einen Ast fest, ohne diesen wäre ich wohl paar Meter runtergepurzelt. Ich rappel mich auf und schaffe es bis zum Fluss und damit auch zur Grenze. Dort angekommen schaut mich die kroatische Grenzbeamtin etwas verdutzt an. Hier scheint selten jemand die Grenze völlig verdreckt und mit vollgepacktem Rad zu überqueren. 

Es ist staub trocken, gefühlt 35 Grad heiß und je höher ich die ersten kroatischen Hügel erklimme, umso unerbittlicher knallt die Mittagssonne auf meinen Schädel. Wasser hatte ich keines dabei, alles am morgen schon weggesoffen, da ich davon ausgegangen bin dass es nicht so heiss werden würde und Supermärkte habe ich ja vorher immer wie Sand am Meer aufgefunden. Nicht so in Kroatien. Habe ich anfangs noch darüber gewitzelt wie ich paralel neben Schaafe und Kühe auf einem Wegesrand Wasser aus einer Pfütze trinke, schlürfe ich eine saftige Pfirsisch aus als wäre sie der Lebenstrank. Völlig dehydriert und ausgetrocknet komme ich in Ogulin an. Da der Euro hier nicht mehr existent ist, brauche ich schneuligst das Landesgeld Kuna. Es gibt ja tausende Bankautomaten, aber natürlich nicht dann wenn der Herr Müller am verdursten ist. Also rein in den Supermarkt und für zwei Billo Fanta (zusammen 0,90€) 5€ Gebühr in Kauf genommen. Nie fühlten sich Gebühren erfrischender an. Vor dem Supermarkt zeigten sich zudem erste strukturelle Veränderungen. Bettelnde Kinder, von ihren Müttern geschickt, rochen das große Geschäft und pilgerten zielstrebig auf mich zu. Als ich Kekse statt Geld anbiete nimmt eines des Kinder es an, riecht dran und schmeißt es dann hinter sich weg. Ich gucke verdutzt, sie streckt erneut die Hand nach Geld aus. Die weıß jedenfalls was sie möchte...

Ich verlasse Ogulin in Richtung Süd-Westen. Permanent geht es rauf und runter über Josipdol (keine russische Stadt) und weiteren eher einfachen Städten. Aber egal wie intensiv ich mich nach einer Schlafmöglichkeit umschaue, es kommt mir nichts vor die Linse mit einer Wasserquelle. Irgendwann gebe ich es dann auch auf und entscheide mich dazu nahe der Autobahn im absoluten Nichts neben eines kleinen Weges zu nächtigen. Völlig versteckt und verwinkelt sollte ich so meine verdiente Ruhe in vertrauter Einsamkeit genießen. Weil mir eine Wasserquelle fehl und ich bis dato eine immer brauchte um sich frisch machen zu können, entscheide ich mich zu einer simplen wie auch, meiner Meinung nach, genialen Idee. Ich bohre mit meinem Taschenmesser kleine Löcher in die Verschlusskappe einer 1,5 Liter Wasserflasche und et voila fertig ist die mobile self-made Dusche. Und tatsächlich erfüllt sie ihren Zweck. Wenig Wasserverbrauch und brutal effektiv. Als ich also gut eingeseift gerade dabei war mich abzuwaschen fährt ein großer Bulli direkt vor mir vor. Verduzt schaue ich auf das Polizeilogo des Vans, der Beamte am Steuer schaut noch unglaubwürdiger drein und runzelt die Stirn, sein Kollege beugt sich hervor und redet irgendwas auf Kroatisch. Als auch ich dann endlich verstehe was hier passiert, schnappe ich mir mein Handtuch gehe auf die Männer zu und erkläre meine Situation. Es folgt ein Mix aus Lachen und eine Handbewegung die so etwas wie 'Weitermachen' ausdrückt. 

Tag drauf das gleiche Bild wie zuvor. Rauf und runter, runter und rauf. So hatte ich mir Kroatien um ehrlich zu sein nicht vorgestellt. Auf einmal befinde ich mich auf 950 Meter. Hoch oben packe ich mich sogar bis oben hin ein. Über Binje fahre ich dann schließlich nach Otocac. Ich steuere wie immer zielstrebig zuerst einen LIDL zu und erhoffe mir dort die erhoffte Erfrischung nach der ich mich schon den ganzen Tag über sehne. Dort auf dem Parkplatz angekommen finde ich einen zerstreut und verzweifelt aussehenden jungen Mann vor. Noch vor dem Eintreffen schleifte ich mich förmlich die letzten Meter entlang. Nun bei der Begrüßung gebe ich beim Erfragen des Names vor topfit zu sein. Peter, aus London stammend, ist etwas pummelig, hat volles braunes Haar, seine Locken glänzen förmlich im Licht der langsam heruntergehenden Sonne. Schüchtern und etwas zurückhaltend gesteht er sich selbst und mir mächtig in der Patsche zu sein. Ich schließe vor uns im LIDL nach Hilfe umzuhören und tatsaechlich bietet ein deutsches Paar ihm ihre Hilfe an. Sein Vorderreifen, das fast auseindergefetzt ist, wird kurzerhand mit dem des deutschen ausgetauscht. Ich biete Peter an für heute Abend gemeinsam nach einem Schlafplatz zu schauen. Dies bildet den Start einer gemeinsam verlaufenden Zeit. 

Als wir umherirrten und erst auf einer Mülldeponie, dann auf einem Vogelreservoir samt Kameras landeten, entscheiden wir uns kurzerhand dazu ein einfach Feld auf einer Anhöhe auszusuchen. Ich nehme meine Selfmade dusche, Peter kocht bereits vor. Wir unterhalten uns ein wenig, stoßen mit etwas Bier auf den Tag und die bewältigten Schwierigkeiten an. Just in diesem Augenblick zeigt Peter in Richtung Felder aus 100 Meter Entfernung. "Da ist doch ein Typ der langsam in unsere Richtung geht, oder etwa nicht?" Ich entgegne dass es eigentlich keinen interessieren könne, da wir zwischen unbenutzten Wiesen/Felder sein, außerdem kann man mit Kommunikation alle Probleme und Missverständnisse klären. Als er dann immer näher kommt beginnt Peter hektisch seine Sachen einzusammeln. Noch bevor ich auf Peter beruhigend einreden kann steht bereits ein richtiger Hühne vor uns mit einem Hund der halb so groß wie er ist und nur durch seine Leine festgehalten und daran aufgehalten wird uns aufzufressen - diesen Eindruck machte er uns zumindest. Der kroatische Berg aus Muskeln stellt sich als Ivan vor und fragt auf sich-Mühe-gebenden-Englisch wie es uns geht. Wir erzählen ein wenig von uns und warum wir dort gelandet sind wo wir sind. Als wir unser Plaedoyer abgegeben haben frage ich ob er ein Problem damit habe wenn wir hier für eine Nacht bleiben würden. Er lacht und kommt einen Schritt samt Bestie vor. "Da wo ihr seid ist der Boden nicht so gut, wollt ihr nicht wo anders hier in der Nähe? Ich zeige euch bessere Plaetze und dann können wir einen Raki bei mir zu Hause trinken." Etwas perplext sagen wir dankend ab, auch wenn ich zugegebenermaßen liebend gerne mitgegangen wäre. Ich sah Peter aber die große Anspannung an und beschließe, dass es das beste ist hier zu bleiben. 

Der naechste Tag steht unter dem Motto "Power Schnelligkeit Speed". Mit durchschnittlich 30 km/h brettern wir förmlich die Straßen in den Süd-Osten runter. Dabei hatte jeder von uns seine Vor- und seine Nachteile. Während ich die Berge besser bewältige, ist Peter auf flachem Terrain klar schneller. So entwickelt sich eine Eigendynamik bei der wir uns gegenseitıg ein und aufholen. Grundsätzlich war es aber für mich deutlich schwieriger mitzuhalten. Da sein Rad auf Geschwindigkeit ausgelegt und zudem deutlich leichter ist, muss ich stetig mit Staunen feststellen, dass ich auf gerader Strecke kein Chance habe. Das mit normaler Anstrengung aufzuholen ist nahezu unmöglich. Obwohl wir so die Kilometer in windeseile "wegsnacken" fühlt sich das garnicht nach Genuss an. 

Auf dem Weg nach Knin fahren wir einen Berg hoch der es merklich in sich hat, bei der Abfahrt in das Tal begegnen uns 4 Kroaten in einem Van und decken uns noch während der Fahrt mit Bier ein. Nach ganzen 120 Kilometer kommen wir in Knin an, was wie in einem Hexenkessel liegt und auch sich als solches anfühlt. Der eigentlich Plan, in Knin zu nächtigen wurde schnell über Bord geworfen. So suchen wir nach einer kostengünstigen Möglichkeit in einem Appartment unterzukommen. Immerhin sind wir jetzt zu zweit, da sollte das ja nicht allzu schwer sein etwas zu finden. In einer Unterkunft waren wir so über den Zustand verstört, dass wir nicht einmal mehr über den unverschämt hohen Preis verhandeln wollten. Als der Besitzer merkte, dass uns seine 70er Jahre Nikotin-Schimmelbude nicht so zusagt geht er plötzlich um 50 Prozent runter. Bei mir bewirkt so etwas nur Kopfschütteln. Erst einmal einen LIDL ansteuern und sich sammeln. Dort schlägt Peter vor zu einem Airbnb an einem Berg zu fahren. Der Haken: Es befindet sich in 30 Kilometer Entfernung in Richtung Sibenik. Uff - erstmal die Besitzerin anrufen. Ein einseitig verlaufendes Gespräch über 20 Minuten  bei dem Peter nur "Okay" "Aha" und "Yes" erwidert endet für ihn schweißgebadet. Fast schon aufgelöst blickt er mich an, ich zucke mit den Schultern und nicke. Er sagt zu und wir qegeben uns auf dem Weg ins Ungewisse. Die 30 Kilometer verlaufen so wie man sie sich vorstellt, nach einem Tag bei über 35 Grad und über 120 getätigten Kilometer. Auf dem Weg zum Airbnb warnt mich Peter noch vor Dana, der Besitzerin des Hauses. Es klingt besorgniserregend, dass es noch schlimmer wird, damit habe ich definitiv nicht gerechnet.

Eine vollbusige Frau in den 40er empfängt uns auf eine sehr hektische Art und Weise, sie redet irgend etwas davon dass noch Kanadier hier leben und wir darauf Rücksicht nehmen sollen. Tatsächlich aber finden wir bis zum Ende keine Kanadier und fühlen uns auch eigentlich ziemlich alleine an diesem Ort. Schon ein wenig gruselig. Und sonst auch sollen wir aufpassen was wir sagen, wenn es etwas zu bereden gibt, beispielsweise administrative Dinge, dann sollten wir das lieber in der Küche drin machen. Zudem lässt diese Frau einen nicht zu Wort kommen, geschweigedenn dass sie einen ausreden lässt. Stellt sie mal eine Frage, dann erwartet sie eigentlich auch keine Antwort, es ist vielmehr eine rethorisch gestellte Frage. Und dann folgt die Geschichte mit dem Barbeque. Wir beide, völlig ausgehungert freuen uns auf einen Abend voller Fleisch und gegrilltem Gemüse, das was man eben auf der Reise selten ist. Wir fragen Dana wo wir das zubereiten können. Sie zeigt oben auf den Berg - da irgendwo oben in zwei Kilometer sind Stöcke und Holz die wir dafür benutzen können. Völlig willenlos schlurfen wir hinter ihr her. Als sie uns unterwegs den Berg hoch noch fragt ob wir denn nicht völlig fertig nach diesem Tag sind brennen meine letzten Gehirnzellen weg. Einen drauf setzte sie dann noch mit dem Satz "Ja klar habe ich eine Pfanne, aber ich dachte dass es ganz nett wäre das Essen so richtig anzubraten."

Unten angekommen schmeisst sie sich umgehend an den Grill. Dana isst vegetarisch und ist nicht müde das zu erzählen, am besten zu jeder Situation. Dass sie sich dann dem Braten unseres Fleisches widmet, das ist mit gesundem Menschenverstand nicht ganz zu erklären. Und nicht nur das, sie macht es mit voller Leidenschaft. Vielleicht liegt es an meinem aktuellen Gemütszustand aber ich sehe wie sie das Fleisch so virtuos schwingt wie es nichtmal ein Barbeque Meister aus Texas hinbekommt, das Fett spritzt sie dabei komplett voll - sie badet sich förmlich drin. Fast schon selbst angewiedert schaue ich dem zu. Nun ja, Dana, wie soll es anders kommen, läd sich selbst ein. Was normalerweise als mega dreist verstanden werden kann, ist in dieser Situation eigentlich keiner Erwähnung mehr wert. Und Peter? Er wirf mir bei jeder Gelegenheit einen genervten Blick zu. Ich muss lachen. Für ihn und sein Gemüt ist sie wahrlich eine Herausforderung. Während sie wie eine hysterische Katzenfrau ihre Katzen mit "MUZZI MUZZI MUZZI" herlockt, versuchen wir beide das wirklich hervorragend zubereitet Essen zu geniessen. Probs an die Küche! Im Anschluss legt sich Peter auf eine Wiese unterhalb des Hauses, ich lege mich dazu. Er gesteht mir noch nie im Leben zuvor in den Genuss gekommen zu sein einen vollwertigen Sternenhimmel gesehen zu haben. Wir schauen uns noch paar Sternschnuppen an bis wir uns in die Falle schmeissen.

Am nächsten Tag versuchen wir in windeseile die Sachen zu packen um aus dem Hof zu schleichen wie es Jugendliche machen die etwas länger als mit den Eltern vereinbart ausgegangen sind. Natürlich klappt auch nur das mit mässigem Erfolg. Dana umschlingt uns wie eine Schlange, egal was wir machen wollen oder mit wem - Dana sagt: Alle wollen euch was schlechtes, seid ihr etwa total bekloppt? Wie naiv seid ihr denn? Passt lieber auf! Ich sage euch wie ihr es machen sollt und nur so macht ihr es dann auch!

So auch in diesem Fall. Wir wollen zu den in der Nähe sich befindenen Schluchten mit Wasserfällen. 

"Roski Slap!!!!!!!!! Und nichts anderes! Wenn ihr wo anders hingeht müsst ihr zahlen! Überall wollen sie euch abziehen!" Roski Slap hat sich wahrlich in meinen Kopf eingebrannt, so intensiv hat Dana uns diesen Trip eingetrichtert. Zum Abschied wollte Dana uns dann noch ihren tollen Gemüsegarten zeigen, ich fange sofort laut an zu lachen. Peter findet es jedoch nicht so lustig und gibt mir ein klares Zeichen zum verschwinden. Ich glaube dass Peter ein wenig zu viel Dosis Dana hat. Als ich zuvor mit Kopfhörer Sportübungen in Ruhe unternommen habe, wollte Peter die Zeit nutzen sein Reisetagebuch upzudaten. Wie es wohl endete kann nun jeder Leser sich denken.

Also verlassen wir diese manipulative, sozial schwerst gestörte Frau in Richtung ROSKI SLAP!!!! Dort angekommen kommt uns sofort auch eine Horde von Touristen entgegen. Der Eintritt zu den Wasserfällen um drinnen schwimmen zu können: 15 läppische Euros. Haha Danke dafür Dana! Zum Glück führte jedoch ein kostenfreier Weg wieder raus aus dem Nationalpark, mega schön, wenngleich die Wasserfälle nicht zusehen waren. Also fahren wir einmal mehr 300 Meter wieder hoch, Peter ist sichtlich am Limit, ich fahre wie gewohnt vor. Das Ziel: Sibenik, erstes Mal das Meer sehen. Dort am Nachmittag angekommen beschliessen wir uns die Stadt ein wenig anzuschauen. Zudem erhalte ich bei einem Frisuerbesuch die wohl schönste Kopfmassage die man sich vorstellen kann. 

Was dann folgt? Ganz genau! Der obligatorische LIDL Besuch um uns für den Abend einzudecken. Einen Platz zum Campen haben wir überraschend schnell auf einer Olivenplantage gefunden. Mittlerweile hat Peter auch kein Problem mehr damit wild zu campen. Auf einer Anhöhe aus Steinen schauen wir uns aus sicherer Entfernung ein Gewitter an. Es scheint an uns vorbei zu gehen, Schade eigentlich wären so paar Blitze aus der Nähe zu beobachten was wirklich nettes. Fast schon enttäuscht gehen wir in unsere Zelte.

Was nun folgt wird mir wohl in seiner Intensität lange in Erinnerung bleiben. Erst wird es windig, dann richtig stürmig. Ich höre Peter wie er mir zuruft, dass er Probleme mit seinem Zelt hat. Dann geht alles schnell. Es setzt Regen ein, ein Wasserfall wie es noch in Slovenien war ist eine nicht zutreffende Übertreibung. Es war mehr als das. Das Zelt bog sich in der Mitte infolge der Wassermassen, ich schreie Peter zu, höre nichts mehr als nur Regen. Mit Blick auf die Wetterapp macht sich Verzweiflung breit. Peter schreibt mir dass es eventuell die ganze Nacht so bleiben wird. Das würde ich nicht überleben, sage ich mir. Peter schreibt dass sein Zelt bald einbreche. Bei mir regnet es rein, an den Beinen wird es so nass, dass es nicht mehr nur einfach unangenehm ist. Im Nachhinein kann man über solche Erlebnisse immer sehr gut lachen, tatsächlich hat sich meine Einstellung gegenüber Gewitter in freier Natur seit dieser Nacht bedeutend verändert. Das Gewitter endet dann nach 2 Stunden, fix und fertig falle ich einen feuchten Traum höhö.

Am nächsten Morgen dann das: Alles wie gehabt. Als wäre nie etwas passiert strahlt uns die Sonne an, der Boden sieht pupstrocken aus. Wir fahren also los und so langsam bemerke ich, dass mein Fahrrad knackst. Hm hoffentlich ist das nichts schlimmes. Wir fahren früh los, wollen wir doch lange aber entspannt die Küstenroute entlang fahren. Über Primosten und Marina nach Trogir was sich als wirklich tolle Route herausstellt. Die dalmatische Küstenroute bin ich bereits mehrere Male entlang gefahren, befürchtete ich aber dass die Strasse zu überfüllt und schlecht zu befahren sei. 

Trotz der doch eigentlich ganz guten Ausgangslage ist es das erste Mal, dass ich so etwas wie Leere fühle. Zu viel hänge ich in "sozialen" Netzwerken ab und ignoriere teils komplett Peter - fast schon wirke ich gereitzt. An Trogir angekommen wird die Unzufriedenheit extrem gross und spürbar. Wir entscheiden uns kurzerhand durch die Stadt zu fahren um dann nicht nach Split sondern erst einmal auf die Halbinsel Ciovo zu fahren um den Stress in Split zu entgehen. Ich glaube auch dass das Peter ganz gut tun würde. Vorher? Natürlich ab zum LIDL. Das ist so klar wie mein Urin nach 7-8 Liter Wasser die ich täglich trinke. 

Am LIDL angekommen begegnen wir Lionel aus Marsaille. Ein durch und durch aufgeweckter Mann in den 50er, der manchmal ein wenig zu hibbelig ist. Auch er reist mit seinem Rad durch Europa und hat noch paar Tage bis es wieder zurück in die Heimat geht. Ich biete ihm an sich uns für zumindest eine Nacht anzuschliessen. Er lässt sich nicht zweimal bitten und so suchen wir nun gemeinsam eine ruhige Ecke, was sich als nicht allzu einfach herausstellt. Bratendes Fleisch ohne ein Ende, wir fahren immer weiter ohne dass ein Strandabschnitt etwas freier wird. Peter der die Idee hatte wird zusehens unruhiger, man merkt ihm förmlich an dass er nun nicht nur für zwei Personen entschieden hat. Irgendwann geben wir uns dann geschlagen und bleiben an Ort und stelle um zu hoffen, dass mit der Zeit auch die Besucher nach Hause fahren und wir so auch unser Camp aufschlagen können. 

Während wir also unseren Ablauf nachgehen gibt es keine Sekunde wo die Frohnatur Lionel alias MacGyver nicht im dürftigen Englisch über Gott, die Welt und seine Erfindungen erzählt. Er möchte stets wissen wie wir bestimmte Probleme gelöst haben. Wir beide dagegen sehnen uns nach Ruhe, wirken leicht genervt und abweisend. Aber irgendwie gibt es dann doch Momente wo ich den Erzählungen und seiner Anwesenheit etwas abgewinnen kann. 

Am nächsten Tag trennen sich auch schon wieder die Wege. Fast schon kitschig auf einer Brücke, er ganz in Weiss eingehüllt, dabei scheint noch ein einziges Mal sein unbrechbarer Optimismus und seine gute Laune auf unsere Gemüter. Peter steht daneben, ganz in schwarz, fast schon schüchtern und eingeschüchtert als ob er ihm nichts mehr entgegenzusetzen habe. Als dann noch die Sonne sich zu Lionel durchkämpfte kam ich mir nur noch doof vor. Anscheinend oder vielleicht sind wir gerade Zeugen eines Wunders inmitten unserer Lethargie. 

Und tatsächlich bin ich regelrecht vor Energie trotzend die Bundesstrasse nach Split geflogen. Zwar mit Kopfhörer und nötigem Tunnelblick um Dinge und Probleme wie das Knacken meines Rads zu verdrängen, aber es klappt. Nun in Split angekommen verschlägt es uns zum Hafen um sich Tickets für die Fähre zur Insel Hvar zu sichern. (Nach Hvar zu fahren habe ich zuvor entschieden, seit Sibenik habe ich Peter über die Entscheidung unterrichtet - fast schon mit der Hoffnung dass das eventuell nicht sein Plan wäre und wir uns von da an trennen. Er hatte sich nie zuvor dazu geäussert, also nahm ich an, dass er sch dafür entschieden hat. Tatsächlich nehmen wir gemeinsam die Fähre und auch unmittelbar oben auf dem Deck war ich merklich froh über diese Entscheidung. 

Peter nahm sich die Zeit um weitere Tagebucheinträge zu schreibe, ich dagegen lege mein Handy weg und stecke meinen Kopf über die Reling als wäre ich ein Hund im Auto, der seinen Kopf aus demn Fenster hält. In der Hafenstadt Stari Grad (auch keine russische Stadt) angekommen suchen wir den ortseigenen Campingplatz auf. Was wir vorfinden ist ein verwüsteter Parkplatz. Es wird sehr dunkel - Was also folgt ist eine Odysee in die hintersten Ecken der riesigen Insel. Der Plan eines sexy Campingortes am Wasser wurde schnell angesichts des dschungelartigen Aufbaus der Insel verworfen. Also beschliessen wir uns einen Platz inmitten im Nichts auszusuchen. Bereits in der vollkommenen Dunkelheit angelangt bauen wir unser Camp auf. Der Platz selbst diente wohl einmal als Ablegeort für Allerlei. So lagen Kühlschränke, Radios und sogar ganze Betten rum. Aber da er flach, eben und nicht voller Gestrüpp ist haben wir wohl keine andere Wahl. Einzig der in den Bann ziehende Nachthimmel kann punkten. Peter, der bei jedem vorbeifahrenden Auto sich wie eine Kellerassel bei jedem vorbeifahrenden Auto zusammenrollt scheint sich noch nicht so ganz mit dem Ort angefreundet zu haben. Ich bin einfach nur froh endlich irgendwo mal angekommen zu sein um was essen zu können. In der Nacht selbst nehme ich noch viele Tiere wahr, da ich aber im Zelt liege kann ich nur versuchen die Geräuche auszublenden und darauf hoffen nicht angeknabbert zu werden. 

Das Ziel des nächsten Tages ist Jelsa. Jelsa soll ein schnuckeliges Städtchen 15 Kilometer entfernt sein wo es, laut Google, eine Menge Campingplätze gibt. Dort angekommen nehmen wir uns die Zeit uns mit den Nachbarn anzufreunden. Ein nettes Paar aus Kroatien erzählt uns ein wenig über die Insel, über die Must-Haves and Dont-Dos. Für mich ist das Camp das erste richtige Camp und ich verstehe auf Anhieb seine Vorzüge. Erst einmal hat man die Ruhe weg, es muss sich nicht Sorgen über das was wäre wenn gemacht werden. Das alleine ist schon Geld wert. Dazu gibt es Sanitäranlagen und sogar die Möglichkeit seine Sachen zu waschen. Aber auch hier sei erwähnt, dass die Ausgangslage variieren kann. Auf diesem Campingplatz ist alles sauber und leicht zu erreichen. Peter hat jedoch auch andere Erfahrungen machen müssen. Bei einem durchschnittlichen Preis von bis zu 15-20 Euro nur für eine Person finde ich das schon ein wenig happig und bevorzuge dann lieber das "Abenteuer". Ausserdem muss ich dann für das Pinkeln in der Nach keine Nachtwanderung unternehmen - und ich muss wirklich sehr oft in der Nacht für kleine Lolos. 

Ich nutze also die hiesigen Möglichkeiten um ein Reset zu machen. Das Rad wird sauber gemacht, die Klamotten per Hand ebenfalls. Während Peter einen ruhigen macht möchte ich stattdessen lieber die Insel erkunden. Leider macht das Fahrrad auch nach dem ich es gründlich sauber gemacht habe diese verstörenden Geräuche. Sogar noch intensiver höre ich das markante Knacken, dennoch fliege ich förmlich über die Strasse da es ohne Gepäck sich deutlich leichter fahren lässt. 

Für den Abend kaufe ich Bier, Peter auch. Ich setze mich auf eine Mauer und denke über meine bisherige Reise nach. Über Ziele die erreicht wurden und auch über unerwartete Erlebnisse, über die Menschen die ich kennen gelernt habe. In dieser Stimmung setzt sich Peter dazu. Unerwartet reden wir über mehrere Stunden hinweg über unsere Gefühle und Ängste. Der sonst so wortkarge Londoner gibt einiges von sich preis und ich höre einfach mal nur zu.

Tag drauf geht es mit der Fähre dann bereits wieder zurück auf das Festland. In Split angekommen solllen sich also die Wege von uns dann trennen. Schon auf dem Schiff überkommt mich ein komisches Gefühl von Abschied. Ich sehnte mich nach dem Alleinsein aber irgendwie kann ich es mir auch nicht mehr vorstellen die Rituale wieder alleine durchzuführen. In Split sollte ich erst einmal paar Erledigungen und Besorgungen unternehmen, wie zum Beispiel zu Decathlon fahren um das Problem an meinem Fahrrad zu beheben. Doch noch bevor sich jemand meinem Problem im Laden aneignen kann stolpert förmlich Peter rein. Das vertraute Gesicht lässt nichts gutes erahnen. Auch er bekam unerwartet viele Probleme mit seinem Rad und nun ist sogar eine Speiche rausgebrochen. Die Lösung zu meinem Problem wirkte gegenüber seinem regelrecht banal und klitzeklein. Einzig die Pedalen waren der Grund für diese unheimlich klingende Geräuche. Für Anamnese plus Pedalen musste ich dann nur 8 Euro bezahlen und konnte bereits wieder entlassen werden. Peter dagegen blieb. Ich nehme mir vor noch etwas üppig in der Stadt zu essen und kaputte Kabel zu besorgen. Nach 3 Stunden verlasse ich Split auf dem Küstenweg mit dem Ziel einen Schlafplatz irgendwo auf einer Anhöhe zu finden. Auf dem Weg treffe ich jedoch einen alten Vertrauten was mich zum Anhalten zwingt....

Peter und Lionel
Peter und Lionel

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Kommentare: 2
  • #1

    Papa (Montag, 16 September 2019 06:10)

    Superklassetoll. Mehr davon.

  • #2

    Maman (Montag, 16 September 2019 09:34)

    Immer noch schön zu lesen , weiter so .
    " Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben "